Erklärung der IALANA zur Ankündigung von US Präsident Barack Obama, konkrete Schritte zu einer atomwaffenfreien Welt einzuleiten
IALANA begrüßt die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, dass die USA eine atomwaffenfreie Welt anstreben und konkrete Schritte dahin einleiten werden. Obama greift die Vision auf, die Gorbatschov im Oktober 1986 in einem Gespräch mit Reagan in Reykjavik entwickelt hat. Obama gibt damit die jahrzehntelange Blockadepolitik der USA auf und öffnet eine Tür in eine sicherere Zukunft. Mit seinen Ankündigungen hat er weltweit Politiker und Medien überrascht und manche von ihnen sprachlos gemacht. Eine Welt ohne Atomwaffen ist jedoch jetzt für viele vorstellbar geworden.
Die bislang vor allem von den meisten Nichtatomwaffenstaaten und von der Friedensbewegung geforderte atomare Abrüstung findet nun Eingang in die Politik. Regierungen und Parlamente werden genötigt, vertraute Seh- und Denkgewohnheiten in Frage zu stellen und nach neuen Wegen zu suchen. Darin liegt die Chance für einen wirklichen Fortschritt der atomaren Abrüstung.
IALANA begrüßt die von Obama angekündigte – zunächst auch einseitige – Reduzierung von Atomwaffen, warnt jedoch vor der Beibehaltung der atomaren Abschreckungsstrategie und der Zweiteilung der Welt in Atomwaffenstaaten und Nichtatomwaffenstaaten. Zum Verzicht auf ihre Atomwaffen haben sich die Atomwaffenstaaten bereits seit 1968 mit dem Nichtverbreitungsvertrag (NPT) ausdrücklich verpflichtet. Die beständige Weigerung zum Verzicht hat sich zu einer der Hauptursachen für das Streben anderer Länder nach eigener atomarer Bewaffnung entwickelt.
Das zunächst zeitlich unbegrenzte Festhalten der USA an der atomaren Abschreckung lässt sich nicht rechtfertigen. Es verstößt gegen die Verpflichtung zum Abbau der Atomwaffen bis zur vollständigen atomaren Abrüstung nach Art. 6 NPT und dient – anders als von Obama erklärt – nicht der Stärkung des NPT.
Die Beibehaltung der Nuklearstrategie – wenn auch auf einem geringeren Level – verstößt gegen die Entscheidung des Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH), der in einem Gutachten für die UN-Generalversammlung am 8.7.1996 völkerrechtlich verbindlich entschieden hat, dass die Bedrohung durch und die Anwendung von Atomwaffen grundsätzlich gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen. Der IGH hat erklärt, dass keiner der Atomwaffen befürwortenden Staaten dem Gericht Bedingungen dargelegt hat, die eine Anwendung von Atomwaffen rechtfertigen könnten – auch nicht in einer extremen Notwehrsituation, in der das reine Überleben eines Staates auf dem Spiel stehen würde.
Obama hat es vermieden, ein Konzept und eine Strategie sowie ein Verfahren der vollständigen atomaren Abrüstung vorzustellen. Er hat die der UN vorliegende „Nuklearwaffenkonvention“ mit keinem Wort erwähnt. Dieser ausformulierte Entwurf eines bindenden Vertrages über das Verbot und die Abschaffung aller Atomwaffen sieht Schritte vor, mit denen die Atomwaffenstaaten gemeinsam und gleichzeitig ihre Sprengköpfe und Trägersysteme auf Null reduzieren können.
Kritisch sieht IALANA die Ankündigung von Obama, dass die USA an dem Raketenabwehrsystem in Europa festhalten, so lange Bedrohungen durch den Iran oder andere Staaten bestehen. Obama weckt
damit den Verdacht, dass die USA keine Abrüstungsschritte gehen wollen, die ihre Vorherrschaft in Frage stellen könnten.
Glaubhafte erste Schritte in die von Obama angekündigte Richtung wären - die Umsetzung der vom IGH betonten Verpflichtung auch der USA, in Erfüllung von Art. 6 NPT Verhandlungen zu führen und abzuschließen, die zur vollständigen atomaren Abrüstung führen, mithin die Aufnahme von Verhandlungen über eine Nuklearwaffenkonvention,
- die Aufgabe der NATO-Strategie der atomaren Abschreckung, insbesondere die Aufgabe der nuklearen Erstschlagsdoktrin auch gegenüber Staaten, de nicht über Atomwaffen verfügen,
- der Abbau der in Europa stationierten US-Atomwaffen und
- der Verzicht auf das in Europa geplante Raketenabwehrsystem.
Die von Obama skizzierten Schritte, wie die lange ausstehende Ratifizierung des Teststopp-Abkommens in den USA und die Verlängerung des in diesem Jahr auslaufenden Start-Abrüstungsvertrages mit Russland, stehen ohnehin auf der Tagesordnung.
Als einen wichtigen Schritt sieht die IALANA die von Obama angestrebten Verhandlungen mit dem Ziel eines Vertrages über die nachweisbare Beendigung der Produktion des atombombenfähigen spaltbaren Materials.
Die angestrebte Atomwaffenfreiheit fällt uns nicht in den Schoß. Sie muss politisch erkämpft werden. In vielen Staaten bestehen starke politische Widerstände gegen die vollständige oder auch nur teilweise Abschaffung von Atomwaffen. In Deutschland lehnt es die Regierungspartei CDU ab, die nukleare Teilhabe zu beenden und die USA zum Abzug der in Büchel in der Eifel verbliebenen Atomwaffen aufzufordern. Auch die mitregierende SPD kann sich zu diesem Schritt noch nicht entscheiden.
Obamas begrüßenswerte Initiative wird nur dann Erfolg haben, wenn andere Staaten folgen. Die Politiker davon zu überzeugen, wird die Aufgabe der weltweiten Friedensbewegung und ihrer Netzwerke sein.